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Nachhaltige Kohlenutzung - geht das?

Der Rat für Nachhaltige Entwicklung widmet sich gegenwärtig besonders den Perspektiven der Kohle in einer nachhaltigen Energieversorgung - das Beratungsgremium der Bundesregierung will bis September eine Empfehlung zur Kohle- und Energiepolitik erarbeiten. Um verschiedene Aspekte der möglichen Rolle der Kohle zu beleuchten, lud der Nachhaltigkeitsrat am 4. April 2003 elf Experten zu einer öffentlichen Anhörung auf die Zeche Zollverein in Essen ein. Wie hoch aktuell dieses Thema ist, zeigte sich an der großen Teilnehmerzahl von fast 200 Personen und den Demonstrationsgruppen vor dem Veranstaltungsgebäude von der Bürgerinitiative Bergbaubetroffener am Niederrhein (BIB) und der IG Bergbau, Energie, Chemie (IGBCE).

Der Nachhaltigkeitsrat hatte einen umfangreichen Fragenkatalog zu acht Themenkomplexen erarbeitet, die der Kreis von Experten aus unterschiedlichsten Organisationen beantworten sollte. Ziel war es, den Stand und die Optionen von Forschung und Technik sowie Übereinstimmungen und Differenzen zwischen den Bewertungen der Energiefachleute herauszuarbeiten. Dabei ging es um Versorgungssicherheit, Nachhaltigkeitsbilanzen des Kohleabbaus, Auswirkungen von Klimapolitik, Bedeutung des Bergbaus in Deutschland und technische Möglichkeiten, Kohle zukünftig klimaschonender einzusetzen.

Die Beiträge der Fachleute zeigten, dass es zu wichtigen Fragen der Zukunftsfähigkeit der Kohle bislang noch wenig Erkenntnisse gibt. Bei den Fragen nach Nachhaltigkeitsbilanzen wurde deutlich, dass die sozialen Auswirkungen des Kohleabbaus bislang auch in Deutschland noch nicht umfassend untersucht und kaum quantifizierbar sind.

So konnten den Einlassungen einiger Bürgerinnen und Bürger, die sich gegen die Erschließung neuer Steinkohlenflöze am Niederrhein wehren, außer dem Hinweis auf Entschädigungsleistungen bei Bergschäden wenig entgegen gebracht werden. Besonders fragwürdig erscheint unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten, dass durch die erwartete Absenkung des Bodens der Grundwasserspiegel so sehr steigt, dass "Pumpen auf Ewig" laufen müssen, um das Gebiet trocken zu halten - ihr stetiger Energieverbrauch wird eines Tages den Energiegewinn aus der geförderten Steinkohle übersteigen. Zudem erhöht sich die Gefahr von Überflutungen in der Nähe des Rheins.

Es wurde darüber hinaus betont, dass für eine Nachhaltigkeitsbetrachtung auch die sozialen und arbeitsrechtlichen Bedingungen betrachtet werden müssen, die insbesondere in Entwicklungs- und Schwellenländern teilweise sehr unzureichend sind.

Die Experten sehen es zwar als notwendig an, internationale Mindeststandards für den Kohleabbau, wie z. B. durch Abkommen über die International Labour Organisation zu implementieren, doch werden die Chancen kurzfristig als gering eingestuft. Für den Nachhaltigkeitsrat wird sich in seinen Beratungen die Frage stellen, ob eine wenig nachhaltige Kohleförderung in Deutschland deshalb aufrecht erhalten werden soll, weil auch der Bergbau in anderen Ländern nicht nachhaltig ist.

Bezüglich der Kohlenutzung herrschte Einigkeit darüber, dass die Kohle zumindest mittelfristig ein wichtiger Primärenergieträger bleiben wird. Besonders intensiv diskutierte die Runde die Möglichkeiten der Abtrennung und Lagerung von CO2. Ein solches Verfahren ist gegenwärtig noch nicht in großem Maßstab durchführbar, könnte aber nach Meinung vieler Experten in einigen Jahrzehnten technisch so ausgereift sein, dass hiermit die Freisetzung größerer Mengen von CO2 verhindert werden kann. Dann könnte eine Übergangstechnologie entstehen, die den Anforderungen eines wirksamen Klimaschutzes gerecht wird. Bezüglich dieser technischen Potenziale wurde gefordert, dass mehr Anstrengungen für die Erforschung der Chancen und Risiken von "CO2-freien" Kraftwerken aufgewendet werden müssen, wie für die erneuerbaren Energien und der Energieeffizienz.

Dieser Weg birgt jedoch noch ungelöst Probleme. So werden die Kosten für die CO2-Sequstrierung (Speicherung) möglicherweise nicht geringer sein als für Maßnahmen zur Vermeidung von Energienachfrage oder für den Einsatz von regenerativen Energieträgern - es ist also offen, ob sich diese Technik je lohnen wird. Zudem ist die Speicherung von CO2 aus fossilen Energieträgern zwar ungefährlich, jedoch sind viele Aspekte einer langfristigen und sicheren Lagerung noch nicht geklärt. Zudem darf unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten die Überprüfung der Kohlenutzung nicht allein auf das CO2-Problem reduziert werden.
In der Veranstaltung wurden viele weitere Aspekte der Energie- und Kohlepolitik angesprochen. Insbesondere die Fortführung von Steinkohlesubventionen wurde in einer der Anhörung folgenden Diskussionsrunde u.a. mit einem Vertreter der Landesregierung NRW und dem Vorstandsvorsitzenden der RAG kontrovers diskutiert.

Der Nachhaltigkeitsrat wird für seine Arbeit an den Empfehlungen an die Bundesregierung zur Kohle- und Energiepolitik die vielen Hinweise, Erkenntnisse und auch erkennbaren Defizite berücksichtigen.

Auf der Homepage des Nachhaltigkeitsrates sind alle Fragen des Rates, die schriftlichen Antworten der Experten und die Diskussion in einem Wortprotokoll dokumentiert.

Die Autorin Dr. Angelika Zahrnt ist Mitglied des im April 2001 von Bundeskanzler Gerhard Schröder berufenen Rates für Nachhaltige Entwicklung und Vorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND).
 
Dieser Beitrag erschien im Naturspiegel, Heft 51

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